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‘Traditionis custodes’ bei Licht betrachtet29. Juli 2021 in Aktuelles, 10 Lesermeinungen Druckansicht | Artikel versenden | Tippfehler melden
Ein Hirten-Wort. Kardinal Brandmüller zu einem Gesetzestext: wann wird ‘Gesetz’ ‘Gesetz’? Darf sich der Glaube von schlechten Texten vom Weg abbringen, ja gar zu Unchristlichem führen lassen? Von Armin Schwibach
Rom (kath.net/wb/as) Der historisch “einzigartige Text” des Motu Proprio "Traditionis custodes" von Papst Franziskus zusammen mit dessen “Begleitbrief”, mit dem dieser “Summorum Pontificum” aufhebt und eine (nicht nur, aber besondere) 14jährige Geschichte mit einem gewaltvollen Handschlag zu eliminieren versucht, schlägt weiter hohe Wogen. Umso wichtiger ist es, sich vernünftig mit Unvernünftigem und Ideologischem ausdeinanderzusetzen. Dies tut Walter Kardinal Brandmüller mit einem feinsinnigen Beitrag, der intensiv zu studieren ist. Ein Hirten-Wort mitten im Sturm.
***
„Traditionis custodes“ bei Licht betrachtet. Von Walter Kardinal Brandmüller
Mit seinem Motu proprio Traditionis custodes hat Papst Franziskus geradezu einen Hurrikan entfesselt, der jene Katholiken in Aufruhr versetzt hat, die sich dem durch Benedikts XVI. Summorum Pontificum wiederbelebten „tridentinischen“ Messritus verbunden fühlen.
Von nun an – so die wesentliche Aussage von Traditionis custodes – wird Benedikts Summorum Pontificum weitgehend außer Kraft gesetzt und die Feier der heiligen Messe mit gewissen Ausnahmen nur noch nach dem Missale Pauls VI. erlaubt.
Ein Blick in die Bloggerszene und andere Medien lässt erkennen, wie weltweit der Protest gegen das nach Form und Inhalt ungewöhnliche Dokument ausgebrochen ist.
Im Unterschied zu jenen den Inhalt von Traditionis custodes betreffenden Protesten sollen hier nun einige Überlegungen angestellt werden, die sich auf grundsätzliche Momente der kirchlichen Gesetzgebung – im Hinblick auf Traditionis custodes – beziehen.
Ging und geht es bisher in der Auseinandersetzung um Traditionis custodes um den legislativen Inhalt des Motu proprio, so soll dieses hier in formaler Hinsicht als Gesetzestext betrachtet werden.
Dabei ist zunächst festzustellen, dass ein Gesetz, um bindende Kraft zu erlangen, keiner besonderen Annahme durch die Betroffenen bedarf.
Wohl aber bedarf es der Rezeption durch dieselben. Mit Rezeption ist die bejahende Aufnahme des Gesetzes im Sinne von „sich zu eigen machen“ gemeint. Eben – und erst damit – erlangt das Gesetz Bestätigung und Dauerhaftigkeit, wie schon der „Vater“ des Kirchenrechts, Gratian († 1140) in seinem berühmten Decretum gelehrt hat. Hier der originale Text:
„Leges instituuntur cum promulgantur. Firmantur cum moribus utentium approbantur. Sicut enim moribus utentium in contrariem nonnullae leges hodie abrogatae sunt, ita moribus utentium leges confirmantur“ (c. 3 D. 4).
Das aber heißt, dass es zur Geltung und bindenden Kraft eines Gesetzes der billigenden Befolgung seitens der Adressaten bedarf. So sind andererseits manche Gesetze heute durch Nichtbeachtung abgeschafft, wie im Gegenteil Gesetze dadurch bestätigt werden, dass die Betroffenen sie beachten.
In diesem Zusammenhang mag auch auf die gewohnheitsrechtlich gegebene Möglichkeit verwiesen werden, der zufolge begründeter Widerspruch gegen ein universalkirchliches Gesetz mindestens zunächst aufschiebende Wirkung hat. Das aber bedeutet, dass dem Gesetz nicht Folge zu leisten ist, solange der Widerspruch nicht geklärt ist.
Nicht zu vergessen sei auch, dass im Zweifel, ob ein Gesetz verbindlich sei, dieses nicht verpflichtet. Solche Zweifel könnten etwa durch mangelhafte Formulierungen des Gesetzestextes begründet sein.
Hier wird klar, dass Gesetze und die Gemeinschaft, für die sie erlassen werden, in einer quasi-organischen Weise aufeinander bezogen sind, insofern das bonum commune der Gemeinschaft ihr Ziel ist.
Das aber heißt im Klartext, dass die Geltung eines Gesetzes letztlich von der Zustimmung der davon Betroffenen abhängt. Das Gesetz hat dem Wohl der Gemeinschaft zu dienen – und nicht umgekehrt die Gemeinschaft dem Gesetz.
Beide sind nicht einander gegenüberstehende, sondern aufeinander bezogene Größen, von denen keine ohne oder gegen die andere bestehen kann.
Wird also ein Gesetz von Anfang an oder im Lauf der Zeit nicht bzw. nicht mehr beachtet, verliert es seine verpflichtende Kraft, wird obsolet.
Dies – und das ist mit Nachdruck zu betonen – gilt natürlich nur von rein kirchlichen Gesetzen, keinesfalls jedoch von solchen, die auf göttlichem oder natürlichem Recht beruhen.
Als Beispiel für eine lex mere ecclesiastica möge die Apostolische Konstitution Veterum sapientia Papst Johannes XXIII. vom 22. Februar 1962 dienen, mit der der Papst u.a. auch für den universitären Lehrbetrieb das Latein vorschrieb.
Junger Doktor, der ich eben war, habe ich nur mit Kopfschütteln reagiert. Nun, an der „Gregoriana“ zu Rom war das Latein üblich, und das hatte angesichts des Sprachen-Babel unter der aus allen Kontinenten stammenden Studentenschaft guten Sinn. Ob aber Cicero, Vergil, und Laktanz die Vorlesungen verstanden hätten, mag füglich bezweifelt werden. Und nun: Kirchengeschichte, auch der Neuzeit, auf Latein? Bei aller erklärten Liebe zur Sprache der Römer – wie sollte das gehen?
Und dabei blieb es. Veterum sapientia war, kaum gedruckt, schon bald vergessen. Was aber dieses unrühmliche Ende einer Apostolischen Konstitution für das Ansehen der päpstlichen Autorität bedeutete, zeigte sich schon fünf Jahre später, als Pauls VI. Enzyklika Humanae vitae im Protest der westlichen Welt beinahe unterging.
Gemach, Freunde, also, und Geduld. Noch nie hat unerleuchteter Eifer dem Frieden, dem gemeinen Wohl gedient. Es war der heilige John Henry Newman, der, den großen Augustinus zitierend, erinnert hat: „Securus iudicat orbis terrarum“. Achten wir inzwischen sorgsam auf unsere Sprache. „Verbale Abrüstung“ hat man das schon einmal genannt. Mit frömmeren Worten: Keine Verletzung der brüder- (und neuerdings schwester-)lichen Liebe!
Nun – wieder Ernst: Welch groteske Vorstellung, dass gerade das Mysterium der Liebe zum Zankapfel würde. Wiederum sei der heilige Augustinus zitiert, der die Heilige Eucharistie das Band der Liebe und des Friedens genannt hat, das Haupt und Glieder der Kirche umschließt. Kein größerer Triumph der Hölle, würde dieses Band – wie schon so manches Mal – erneut zerrissen. Und die Welt würde höhnen: „Seht, wie sie einander lieben!“
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Lesermeinungen | Marcoman 31. Juli 2021 | | | "Ein Blick in die Bloggerszene und andere Medien ..." Auf wen hören wir hier denn ganz genau? Herr Brandmüller lässt wissen, dass das Schreiben des hl. Vaters als Gesetzestext erfasst werden könnte, und führt Überlegungen auf, die den Anklang einer Beratung der franz. Resistenz vermuten lassen. Wäre es denn in der Tat ein Gesetzestext, so würden die klugen Überlegungen zu "Rezeption" und "Annahme" genauso auf das apostol. Schreiben "Summum Pontificorum" treffen. Nur ist es kein Gesetzestext, es ist eine Anweisung des Papstes mit der Vollmacht des hl. Stuhls Petri. Insofern kann es dem Schreiben Benedikts aus dem Jahr 2007 nicht "widersprechen". Es ist als ob der erste Papst sagt: "bitte benutzen Sie die Türe links", jetzt sagt der aktuelle Papst "bitte benutzen Sie die Türe rechts". Da ist kein Widerspruch, nur ein anderer Usus. Weiters, von "Hurrikanen" zu sprechen ist wirklich nicht zielführend. | 0
| | | anjali 30. Juli 2021 | | | @DamianBLogos Hier in der Niederlanden bleibt bis jetzt Alles so wie es war. | 1
| | | Ulrich Motte 30. Juli 2021 | | | Frage (nicht Behauptung) Macht der Herr Kardinal die Geltung kirchlicher Regeln von ihrer Anerkennung im Kirchenvolk abhängig? Ab welchem Grad von Anerkennung bzw. Nichtanerkennung? Welche kirchliche Regel gilt nach dieser Regel noch, insbesondere in der real existierenden Kirche der BRD? | 2
| | | Zeitzeuge 30. Juli 2021 | | | Eine bemerkenswerte Stimme über den Ritus der hl. Messe: "Der Römische Ritus, wie wir ihn kennen, existiert
nicht mehr......"
Nein, diese Worte stammen nicht von Erzbischof
Léfèbvre, sondern von P. Joseph Gelineau SJ,
(1920-2008), einem "Radikal-Deformer" (sic!)
der hl. Liturgie!
Mehr dazu im Link!
Dieser Jesuit könnte der Ideengeber für
"synodal Bewegte" und andere "Liturgiedeformer"
sein.
Allein den Betern kann es noch gelingen,
Täter werden n i e den Himmel zwingen! www.summorum-pontificum.de/meinung/gelineau.shtml | 2
| | | Kris_t 29. Juli 2021 | | | Vielen Dank Herr Kardinal Brandmüller,
vielen Dank für Ihre Worte und Gedanken. Das lateinische Zitat, das Sie anführen, gibt für mich grammatikalisch keinen Sinn. Hier habe ich es in einer anderen, verständlichen Form gefunden:
"Leges instituuntur, cum promulgantur, firmantur,
cum moribus utentium approbantur. Sicut enim moribus
utentium in contrarium nonnullae leges hodie abrogatae sunt,
ita moribus utentium ipsae leges confirmantur."
Meine Arbeitsübersetzung: "Gesetze werden eingesetzt, wenn sie verkündet werden. Sie werden bekräftigt, wenn sie durch das Verhalten der Nutzer bestätigt werden. Wenn nämlich heute durch das gegenteilige Verhalten der Nutzer manche Gesetze aufgehoben werden, so werden durch das Verhalten der Nutzer eigene Gesetze aufgestellt."
Ich muss noch weiter darüber nachdenken.
Alles Gute! geschichte.digitale-sammlungen.de/decretum-gratiani/kapitel/dc_chapter_0_0034 | 3
| | | Hilfsbuchhalter 29. Juli 2021 | | |
Es schaut so aus, als wäre nun auch die Kirche mit ihrem Latein am Ende. | 1
| | | Montfort 29. Juli 2021 | | | @ThomasR - Ich bin mir nicht sicher, glaube aber, mich daran erinnern zu können, dass ein User geschrieben hatte, dass im Priesterseminar in Wien die Ablegung der Prüfung für die "außerordentliche Form" möglich ist (oder nun "war"?). | 3
| | | antonius25 29. Juli 2021 | | | TC gilt genauso (viel oder wenig) wie SP Nur sehr wenige Bischöfe haben vorher die Alte Messe zugelassen und jetzt nicht mehr. Auch viele eher nicht so konservative Bischöfe sind nach wie vor offen für traditionalistische Gemeinschaften auf ihrem Territorium. Wir sollten in der Tat nicht verzweifeln. | 2
| | | ThomasR 29. Juli 2021 | | | Traditionis custodes ist geltendes Recht trotzdem darf die Anwendung von Traditionis custodes nach §87 CJC von einem Bischof Ordinarius in seinem Bistum außer Kraft durch entsprechendes Edictum gesetzt werden
Es gibt keine Beschränkungen beim Lesen der Heiligen Messen im alten dominikanischen Ritus
(darf auch durch andere Ordenspriester gepflegt werden)
Es darf weiterhin die Ausbildung in beiden liturgischen Formen des RR, je nach der Entscheidung von dem zuständigen Ordinarius , in den diözesanen Priesterseminaren angeboten werden, bzw. die alte liturgische Form in den Kapellen der Priesterseminare (da keine Pfarrkirchen) gepflegt werden.
Dieser Einladung von Papst Benedikt ist jedoch bis dato kein diözesanes Priesterseminar in Deutschalnd gefolgt- beim Irrtum bitte korrigieren- | 3
| | | DamianBLogos 29. Juli 2021 | | | Wie weise! Im Gegensatz zu anderen Weltgegenden, in denen es Bischöfe gibt, die jetzt im Übereifer sogar den Gebrauch der lateinischen Sprache in der Liturgie von Paul VI. verbieten, scheinen die deutschen Bischöfe eher abwartend zu reagieren. In der Diözese Mainz soll anscheinend bis auf Weiteres alles beim Alten bleiben. Wie sind die Erfahrungen in den anderen Bistümern? | 5
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